24-Stunden-Kick 2018

Das Seminar gewinnt beim 24-Stunden-Kick

Wochenblätter der SÜDWEST PRESSE, Ulm; Das Blaumännle, Nr.26; Freitag, den 29. Juni 2018
Seite Nr.12 Deep-Link-Referenznummer 16990145

Die Bitten des werdenden Vaters erhört

Rund 18 000 Euro Spenden wurden bei der 22. Auflage des 24-Stunden-Kicks in Blaubeuren eingespielt. Deutlich hat heuer mit 149:113 das evangelische Seminar gewonnen.

EVA MENNER

Blaubeuren Sonntags eine halbe Stunde vor dem Schlusspfiff um 12 Uhr geben die Spieler auf dem „Plätzle“ im Blaubeurer Klosterhof noch einmal alles und stürmen aufs Tor, als dauerte der Fußballmarathon nicht schon fast 24 Stunden. „The Final Countdown“ ertönt, dann der Abpfiff, Endstand 149 Tore für das Seminar, 113 für das evangelische Jugendwerk. Am Ende fallen sich die Teams in die Arme, klatschen sich ab und fühlen sich beim Klang von „We are the Champions“ wie die wahren Fußballhelden dieser Tage.

„Wird da noch woanders Fußball gespielt?“, fragt Marc Hermann ganz harmlos. Er ist angesichts seines für den Kick reifen Alters von 54 Jahren mit dem Kampfnamen Methusakick aufgelaufen. Ein Veteran des Kicks ist Albrecht Reuß, der die diesen Marathon mit ins Leben gerufen hat und seitdem noch kein Spiel versäumt hat. Auf der Seite des Seminars lag das Durchschnittsalter niedriger, spielten doch etliche Schüler mit. So auch der 16-jährige Fabian Körner, der sich bei seiner zweiten Kickteilnahme gleich als Torjäger entpuppte, 24 Tore zum Erfolg beitrug und damit das zweitbeste Ergebnis erzielte. „Am Anfang lief es noch nicht so gut, doch in der Nacht dafür umso besser“, meinte er. Torschützenkönig wurde Teamkollege Robert Sauter mit 29 Toren, bester Torschütze beim Jugendwerk war Reik Schlitter mit 20 Toren. Auf der ewigen Torjägerliste hat Christian Sigloch jetzt Albrecht Reuß überholt. Sigloch schoss sein 500. Tor beim Kick.

Seine Teilnahme war etwas unsicher, seine hochschwangere Frau hatte in den nächsten Tagen den Geburtstermin. Aber das Baby hielt sich an die flehentlichen Bitten des werdenden Vaters und kam nicht ausgerechnet während des Kicks zur Welt. Beste Torschützin war Thea Kannenberg (Seminar) mit sechs Toren. Torwartkönig wurde „Wolle“ Vulkan Ucar (Jugendwerk) mit 35 Prämien für je 10 Minuten ohne Gegentor.

Die 24 Stunden haben allerdings auch ihren Tribut gefordert, einige Spieler fielen wegen Muskelfaserrissen oder Bänderrissen aus. Das Rund-um-Service-Team (RUST) massierte müde Spielerbeine, sorgte für Kaffee und warme Brühe, organisierte Frühstück und leistete manchem Spieler moralischen Beistand. Nach dem Abpfiff ging es für die „Paten“ ans Zahlen, sie spendeten den Spieler eine Tor- oder Torwartprämie. Darunter waren Mitschüler, Lehrer, Bekannte, Verwandte und etliche Prominente. Dank der Paten sind etwa 18000 Euro zusammengekommen, mit 1900 Euro war Jonathan Glanz der beste Spendensammler. Die Erlöse kommen seit Beginn Projekten in Argentinien zugute. Unterstützt wurde in den letzten Jahren das Frauenprojekt „Kleine Tropfen mit ganzem Einsatz“ in einem Armenviertel der Stadt Bariloche. Frauen finden dort in einem Haus Zuflucht, für die Kinder gibt es einmal am Tag eine warme Mahlzeit, die Frauen können sich austauschen und erhalten Beratung. Es gibt einen Aufenthaltsraum, sanitäre Anlagen wurden installiert und ein neuer Backofen ermöglicht einen Straßenverkauf und dadurch ein bisschen finanzielle Sicherheit für die Frauen. Damit das Haus besser vor der Kälte und dem starken Wind, der in Patagonien bläst, geschützt wird, soll nun die Fassade verkleidet werden.


Erhard Eppler las im Dorment des Klosters

Wochenblätter der SÜDWEST PRESSE, Ulm; Das Blaumännle, Nr. 25,  Freitag, den 22. Juni 2018Seite Nr.1 Deep-Link-Referenznummer 16985688

Mit innerem Feuer für soziale Politik

„Wir müssen uns in Europa rascher zusammenschließen und schneller entscheiden“: So lautet Erhard Epplers Ratschlag gegen einen US–Präsidenten, der nicht mehr an einem guten Miteinander, sondern nur an eigener Macht interessiert ist.

THOMAS SPANHEL; MELANIE REINER

Blaubeuren Seine Stimme klingt dünn, er spricht langsam, mit Pausen: Dem früheren SPD-Minister Erhard Eppler sind seine 91 Jahre beim Auftritt im Dorment des Klosters Blaubeuren am Dienstagabend deutlich anzumerken. „Man ist ja schließlich nicht mehr 80“, zitiert er Konrad Adenauer, setzt sich zwischendurch und lässt aus seinem neuen Buch „Trump – und was tun wir?“ vorlesen. Doch dann geht er wieder ans Mikrofon, wird energisch und macht voll innerem Feuer deutlich, dass er in Sorge ist um unsere demokratische Ordnung in der Welt. „Ich habe neun Urenkel, und ich sehe Tendenzen in der Weltpolitik, dass diese charmanten kleinen Mädchen und Buben in einer Ordnung leben werden, die wesentlich unangenehmer ist als die, die wir heute haben.“ Daher will er sich auch im hohen Alter politisch einmischen, Bücher schreiben, zur vernünftigen Diskussion motivieren.

Hauptproblem der aktuell schlimmen Situation ist für Eppler US-Präsident Donald Trump. Seit Eppler sein Buch vor einem Jahr schrieb, sei vieles noch schlechter geworden. Der Streit zwischen CDU und CSU über die Zuwanderung etwa könne dazu führen, „dass wir bald ohne Regierung sind und dass wir dann Trump hilflos ausgeliefert sind“.

Auch andere Entwicklungen habe Eppler sich vor einem Jahr noch nicht so vorstellen können. So etwa, dass sich Trump bereits auf seine Wiederwahl vorbereitet, dass die Welt also „noch lange“ mit diesem US-Präsidenten leben müsse. Unter ihm als Präsidenten sei die republikanische Partei in den USA weit nach rechts gerückt: Die nun verabschiedete Steuerreform dort zeige, dass Trump und die Partei ganz und gar nichts „für die kleinen Leute tun wollen“.

Reine Machtpolitik

Für Trump sei Politik „reines Machtspiel“ zwischen Staaten, analysiert Eppler. Von Verträgen und Bündnissen halte dieser „selbstverliebte Größenwahnsinnige“ nichts, ebenso wenig von der UNO oder anderen Institutionen. „Da die USA die Mächtigsten weltweit sind, möchte Trump, dass er mit jedem Land einzeln Schlitten fahren kann.“ Trump lasse sich dabei stark von der Überzeugung leiten, dass es eigentlich nur um wirtschaftliche Macht gehe. Entsprechend sehe er in wirtschaftlich starken Ländern seine Hauptgegner – China und Deutschland: „Wir müssen uns darauf einstellen, als Konkurrenz behandelt zu werden.“ In solchen Grundeinstellungen bleibe sich Trump auch treu, unberechenbar sei er nur, wenn es um Detailfragen gehe.

Eppler sieht Trump als weltweite Gefahr auf allen Ebenen. Der Grund: „Er ermutigt eine Art von Herrschaft, wo der Mächtige dem weniger Mächtigen das Fürchten lehrt.“ Die über Jahrzehnte im Westen entwickelte Form der Demokratie, die soziale Marktwirschaft, die sich auch um die Schwächeren kümmert, die einen Ausgleich zwischen Arm und Reich herbeizuführen versucht, werde auf diese Weise untergraben.

Eppler zitiert eine amerikanische Politologin, um den Charakter von Trumps Handlungs- und Denkweise zu charakterisieren: Da werde Neoliberalismus und Marktradikalismus mit einem rüden Nationalismus vermischt. Es entstehe ein „Frankenstein des Neoliberalismus“. Wie der Forscher Frankenstein bei der Erschaffung eines todbringenden Lebewesens gehe Trump an die Grenze des Neoliberalismus, und zerstöre Politik, Gewaltenteilung und Demokratie. Erst langsam werde klar, dass dieser Auswuchs des Neoliberalismus „mit Leben und Tod von Millionen Menschen zu tun haben könnte“.

Gibt es Möglichkeiten, um der Machtpolitik Trumps etwas entgegen zu setzen? Eppler ist bei Kanzlerin Merkel, wenn er sagt: „Wir müssen jetzt unser Schicksal in die eigenen Hände nehmen.“ Ohne Regierung dazustehen, nichts zu tun und nicht mehr die eigenen Werte hochzuhalten, das „ist das Schlimmste“.

Sicherheit mit Russland?

Europa müsse ein eigenes verlässliches Sicherheitssystem aufbauen, unter dessem Schutz seine Völker friedlich miteinander leben könnten. Dafür brauche man Russland: „Wir müssen mit Russland reden.“ Zu erfahren, was Putin über ein europäisches Sicherheitsnetz denkt, sei wichtiger, als zu wissen, ob er ein guter oder böser Mensch ist.“ Eppler ist von Putins Interesse überzeugt.Er kritisiert die deutschen Medien, dass sie gegenüber Russland und Putin wenig objektiv berichten würden: „Das tut mir weh.“ Laut Eppler hätte Putin seine lange Amtszeit anders gestaltet, wenn er wirklich so „böse“ wäre, wie er oft dargestellt werde. Im Großen und Ganzen habe er nämlich „nichts Schlimmes“ getan. Eppler meint, für die Krim-Annexion und den Ukraine-Krieg könne man Putin nicht direkt verantwortlich machen.

Er schränkt gleichzeitig aber auch selbstkritisch ein: „Nicht alles, was ich gesagt habe, ist der Weisheit letzter Schluss.“ Ihm komme es darauf an, zum Überlegen anzuregen und so den Punkt zu finden, der gegen Leute wie Trump helfe.


Frank V, Theater 2018

"Halunken mit Stil" - Großes Lob für die Theateraufführung

EVA MENNER

Blaubeuren Auch die häufigen Szenenwechsel in Dürrenmatts Stück waren angesichts der räumlich beengten Verhältnisse im Dorment des Klosters eine Herausforderung. Aber wie fast schon gewohnt meisterten die jungen Schauspieler alle Schwierigkeiten.

In der „Komödie einer Privatbank“ geht es um die kriminelle Machenschaften in der von Frank, dem Fünften( Konrad Lohse) und seiner Ehefrau Ottilie (Johanna Kunzi) geführten Bank. Die Geschäfte laufen schlechter als früher, deshalb wollen sie die Bank liquidieren. Personalchef Richard Egli (Anna Aggelákos) ist ein williger Untergebener, der gehorsam die Befehle ausführt und dafür sorgt, dass niemand aus der Reihe tanzt. Schließlich bringt er sogar seine Geliebte Frieda Fürst (Sarah Grund), die der Bank als Prostituierte dient, um.

Mit Kunden werden betrügerische Geschäfte gemacht, die Mitarbeiter wie Prokurist Böckmann (Reik Schlitter) und Neuling Päuli Neukomm (Maximiliane Körber) beklauen die Bank, um ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen. Ihren beiden schon erwachsenen Kindern gaukeln Frank und Ottilie ein braves Leben vor und wähnen sie deshalb in Unwissenheit über ihre verbrecherischen Geschäfte. Das erweist sich allerdings als fataler Irrtum. Sohn Herbert (Johann Krafft) übernimmt mithilfe eines erpresserischen Coups schließlich die Bank und Tochter Franziska (Lea Pommer) den Job der Frieda. In einer der letzten Szenen spielen sich Frank und seine Frau vor, dass sie vom Treiben der Kinder nicht wissen.

Als habe Dürrenmatt viel spätere Ereignisse wie Finanzblase und Bankenskandal vorausgeahnt, fleht Ottilie in dem Stück den Staatspräsidenten an, sie zu bestrafen und die Bank zu schließen. Stattdessen bekommt sie einen Scheck überreicht. Am Ende sieht man den degradierten Egli den Boden fegen, der aber versichert, er werde garantiert wieder an die Spitze zurückkehren – ein Symbol für die Macht des Kapitals.

Erstaunlich souverän agierten die Schüler auf der Bühne, bewegten sich präzise in einer durchdachten Choreografie und sangen die leicht schrägen Lieder mit vielsagenden Titeln wie „Halunken mit Stil sind rar“, „Was wir schieben und raffen“ oder „In Oxford wurde ich erzogen“.

Genial wieder einmal das Bühnenbild, das die verschiedenen Schauplätze deutlich machte. Die Requisiten auf der Bühne waren sehr genau durchdacht, sodass die Szenenwechsel schnell vonstatten gingen. Großes Lob für die Schüler, zum Teil Abiturienten, die es sich trotz Prüfungsstress nicht nehmen ließen, auf der Bühne zu stehen.